BUND Regionalverband Neckar-Alb
Mitglied werden Jetzt spenden
BUND Regionalverband Neckar-Alb

Aubrunnen

Leserbrief zum Artikel "Die Umwelt steht dem Tübinger Gewerbe nicht im Weg", Tagblatt, 7.6.17

Laut Tagblatt soll (nur) ein neues Gewerbegebiet ausgewiesen werden? - Tatsächlich sind auch ohne die umstrittenen  Flächen "Aubrunnen"  und "Saiben"  kleinere Gewerbegebiete z. B. in Bühl oder Hirschau mit einer Gesamtfläche von knapp 38 ha geplant. Zur "Au": Während im Westteil  Bäume einer Alterklasse nachgepflanzt wurden, befinden sich im Ostteil zahlreiche Edellaubhölzer, die teils deutlich älter als die erwähnten 70 Jahre sind - mit entsprechender Eignung als Habitatbaum. Der gut 12 ha große Wald spielt klimatisch keine Rolle? - Lokalklimatisch schon, das werden nicht nur die MieterInnen der im Osten angrenzenden Sozial(?)wohnungen bestätigen können, sondern jeder, der an heißen Tagen entlangradelt. Natürlich steht beim Aubrunnen aufgrund seiner zunehmend isolierten Lage nicht die Artenvielfalt sondern der Trinkwasserschutz im Vordergrund. Eine "Strategie", die übrigens auch durch zunehmende Zerschneidung (neue B 28!) und Bebauung im Neckartal Richtung Rottenburg oder bei der Sarchhalde greift: Lebensräume werden sukzessive entwertet, bis sie aufgrund ihrer Vorbelastung für Artenvielfalt,  Frischluftzufuhr usw. nicht mehr bedeutsam sind. Zum "Saiben": Der Text suggeriert, dass das Neckartal  voll mit Feldlerchen sei - tatsächlich erleidet diese Vogelart auch bei uns einen massiven Bestandseinbruch! Ob man Flächen für die vorgeschlagenen Ausgleichsmaßnahmen - nicht nur für die Feldlerche, sondern auch für Schleiereule, Rotmilan usw. - bekommt, ist übrigens noch offen.

Barbara Lupp

Den besagten Artikel finden Sie hier. 

Kommentar von Barbara Lupp zur Informationsveranstaltung zum Au-Brunnen

Die Veranstaltung mit OB Palmer zum Trinkwasserschutzgebiet "Au" war interessant. Seine zum Teil einsichtigen, aber auch zum Teil "mathematisch-pseudo-kausal-objejktiven" Argumente griffen allerdings nur begrenzt. Bei vielen Besuchern/innen zeigten sich kritisch, weil sie grundsätzlich gegen die Aufgabe eines (schönen) Wasserschutzgebietes sind, aber auch, weil diverse Frage nicht erörtert wurden bzw. werden sollten.
Oberbürgermeister Palmer vermied es, den "Faktencheck" des Flächennutzungsplanentwurfs aufzugreifen (auch schon vorab, als er in einem Mailwechsel die thematische Erweiterung über den Trinkwasserschutz hinaus verweigerte). Gefahren für die Trinkwasserversorgung beim Verzicht auf den Aubrunnen verwies er ins Utopische (sinngemäß:"...dass der Bodensee austrocknet oder es ein landesweites Erdbeben gibt, ist praktisch unmöglich."). Reale Gefahren, z. B. dass Grundwasserströme/ Uferfiltrat auch im mittleren Neckartal nicht gerade sauber sind bzw. so belastet werden könnten, dass Tübingen noch mehr Bodenseewasser beziehen muss, sollte bei dieser Veranstaltung kein Thema sein. Auch seine monokausale, einfache Erläuterung: "Wenn wir die Au nicht bebauen, dann verlieren wir Gewerbesteuer und Arbeitsplätze und dann kann die Stadt Tübingen nicht mehr in dem Maße Kitas etc. finanzieren" entspricht nicht der komplexen Realität der Finanzierung kommunaler Haushalte und dem Ertrag/pro überbauter Fläche.

Nach Palmers Aussagen ist der Bodensee quasi perfekt überwacht und die Trinkwasserversorgung gesichert. Das mag für die Entnahmestellen gelten, nicht jedoch für alle Ufer- und Wasserbereiche des Sees:  Bei bestimmten hochtoxischen Stoffen (Dioxin, Plutonium,...) müsste auch bei einer Verunreinigung im Grenzbereich der Nachweisbarkeit die Bodenseewasserversorgung zumindest vorübergehend unterbrochen werden. Tübingen hätte dann ein Mangelproblem, das nach Aufgabe des Trinkwasserschutzgebiets Aubrunnen mit "ein paar Tage Verzicht auf Autowaschen" (Zitat Palmer) nicht behoben wäre.

Die beiden SWT-Brunnen, die aktuell zum Mischwasser beitragen, nämlich "Gehrnfeld" und "Unterer Neckar" werden nach dem BUND vorliegenden Informationen stärker vom Neckarwasser beeinflusst als der Aubrunnen. 
Übrigens durften die Naturschutzverbände trotz Umweltinformationsgesetz keinen einen Einblick in das SWT-Gutachten zum Aubrunnen nehmen (auch nicht bei Schwärzung der sicherheitsrelevanten Daten). Es wurden während des Infoabends einige Exemplare einer Kurzversion verteilt. Selbst in diesem "Minigutachten" wird empfohlen: "Überprüfung der hydrogeologischen Verhältnisse in den verbleibenden Wasserschutzgebieten, insbesondere dem Unteren Neckartal und Berücksichtigung der beabsichtigten Ausweisung neuer Gewerbegebiete und Retentionsräume."

Ein weiteres, thematisch passendes Gutachten, das zeigt wie anfällig landesweit unser Grund- (und gegebnenfalls auch Trinkwasser) für Verschmutzungen ist: LUBW Grundwasserüberwachung

Leider teilte OB Palmer nicht mit, für welches Gewerbe die Stadt die 12,2 ha am Stück so dringend benötigt - muss er auch nicht, da es sich um einen Flächennutzungsplan und nicht um einen Bebauungsplan handelt. Dann sollte er jedoch auch keinen pseudolinearen Zusammenhang zwischen Flächenüberbauung und Arbeitsplätzen/ Gewerbesteuer herstellen. Falls gar nicht 12,2 ha am Stück notwendig wären, gäbe es z. B. die Option, die bereits mehrfach zitierten "halbtoten Autohausflächen" umzuwidmen - der Eingriff in den Naturhaushalt wäre minimal. Inwieweit man die vorgelagerte landwirtschaftliche Fläche einer Bebauung opfern und die Au trotzdem ihre verschiedenen Funktionen für Trinkwasserschutz, aber auch Klima- und Artenvielfalt erhalten kann, muss untersucht werden.

Der BUND streitet nicht ab, dass die "Boomtown" Tübingen auch in naher Zukunft noch Bedarf an größeren Gewerbeflächen hat und aus Einnahmegründen auch nicht bereit ist, auf diese zugunsten anderer Kommunen im Kreis oder gar über die Kreisgrenze hinaus zu verzichten. Aber im Gegensatz zu OB Palmer (in seinem Schreiben an die Naturfreunde Tübingen) sieht der BUND es nicht als die Aufgabe der Naturschutzverbände an, Ersatzgewerbeflächen für die Au zu liefern.

Empfehlung: Hingehen und sich selbst ein Bild von dieser randlich belasteten, aber nicht nur für den Trinkwasserschutz bedeutsame, naturnahe Fläche selbst (zumindest vom Zaun aus) machen!

Aktualisierung am 3.05.2016: Oberbürgermeister Palmer teilt mit, dass er aufgrund des Widerstandes in der Bevölkerung die Umwandlung des Aubrunnens in ein Gewerbegebiet aktuell nicht weiterverfolgen will. Aber: Die Argumente der Gegner seien für Palmer "alle nicht stichhaltig.... Es gibt einen psychologischen Bedarf für den Brunnen, aber keinen sachlichen." (Zitat aus dem Schwäbischen Tagblatt). 
Die Stellungnahme des BUND soll der Versachlichung dienen - weitere Fachinformationen zu Hydrogeologie, Klimaschutzwirkung, Artenvielfalt sind (jedoch) jedoch willkommen, denn die trafen trotz Nachfrage bei Naturschutzverbänden und Bevölkerung bisher sehr sparsam ein!
Aktualisierung am 15.05.2016: Anscheinend hat die Regionalpresse OB Palmer nicht korrekt verstanden? Er denkt doch an eine Überbauung der "Au" bis auf aktuelle Entnahmefläche. 

Leserbrief zu Tagblattartikel 10/2017: WSG Aubrunnen - verzichtbar?

Ein Ingenieurbüro hat im Auftrag der SWT (und damit der Stadtspitze) berechnet, wie der Wasserbedarf und das Wasseraufkommen 2035 sein wird und ob man auf das WSG Aubrunnen verzichten kann. Ergebnis: Auch ohne "Au" sei die Wasserversorgung gesichert. Ergänzt um die Anmerkung: "Allerdings kann der Aubrunnen...die praktische Versorgungssicherheit in Extremsituationen verbessern."

Das Gutachten fordert, die dann verbleibenden Brunnen besonders zu schützen. Frage ist, ob man die WSG, die durch den Grundwasserkörper des Neckartals verbunden sind, welcher durch geplante Baugebiete (wie z.B. die "Kiesäcker") und steigenden Verkehr (wie auf der B 28 neu) beeinträchtigt wird, isoliert betrachten darf. Allerdings trifft die Studie eine interessante Aussage: "Am Aubrunnen ist im Gegensatz zu den Brunnen im Unteren Neckartal und im Gehrnfeld nicht von einem unmittelbaren Beiziehen von Neckaruferfiltrat auszugehen. Aber auch der Aubrunnen dürfte Anteile von Neckarinfiltrat aufweisen; allerdings mit längerer Verweilzeit im Grundwasserleiter".

Außerdem: Nimmt die Hamburger Klimastudie auf regionale Gegebenheiten wie die extreme Winter- und Frühjahrstrockenheit 2016/2017 Rücksicht, die unter anderem zum Versiegen des Landgrabens (beim WSG Gehrnsfeld) führte?

Zuletzt: Ein Wohnblock mit mindestens 30 Menschen grenzt direkt östlich an die "Au" an. Diese profitieren unmittelbar von der kühlenden Wirkung des Waldes im, an Hitzetagen oftmals unerträglich heißen Gewerbegebiet. Umsiedeln?!

Studie zur Trinkwasserversorgung Tübingens 

 

BUND-Bestellkorb